Jeder Unsinn in meinem Leben beginnt normalerweise harmlos und meistens beim Sonnenuntergang oder bei sonst romantischer Kulisse.

Da der Sommer in Freiburg sich wohl fühlt, lebt fast die ganze Stadt mehrere Monate draußen. Jede Straße, jeder Park, Verein oder Berg organisiert ein Fest mit Biergarten, Flammkuchen und Livemusik. Was mich immer wundert: Es ist überall und zu jeder Zeit voll. Ein festfreudiges Völkchen lebt hier!

So war es auch am Freitagabend, hoch auf dem Schlossberg beim Schlossbergfest. Der Sonnenuntergang war herrlich, die Laune gut, auf den fünf Bühnen spielten verschiedene Bands – für jeden Geschmack war etwas dabei. Man/frau konnte sich von lateinamerikanischen Rhythmen über deutschen Rap bis hin zu italienischer Folklore durchtanzen. Unabhängig von der Musikrichtung wollte der Ehemann nur noch nach Hause, musste aber auf seine tanzfreudige Ehefrau aufpassen.

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Beim Sonnenuntergang und zwischen Tanzen / Aufpassen genossen wir die Ausblicke auf Freiburg, untersuchten die Umgebung, erzählten uns wie jeder Nachbarberg heißt und prüften, ob wir jeden davon schon erklommen hatten. Und dann stellten wir mit Entsetzen fest – es gibt noch weiße Flecken wie z.B. den Schönberg. Obwohl wir den Berg mehrmals umfahren haben, waren wir noch nie auf der Spitze und können gar nicht sagen, warum der Schönberg so heißt. Ist er wirklich so schön wie der Name hoffen lässt?

Gesagt, geplant, getan. Die nach dem Kauf des Rennrades (die Geschichte dazu hier) inzwischen vernachlässigten Cross Bikes haben sich gefreut, wieder genutzt zu werden. „Auf zum Schönberg!“, hieß es am Samstagmorgen gleich nach dem 6 km Lauf (Triathlon lässt grüßen). Obwohl ich normalerweise meinem Ehemann jede Routenplanung überlasse, war dieser Ausflugssamstag nicht sein Tag.

Er wählte den kürzesten, aber auch den schwierigsten Weg mit den höchsten Steigungen (8-12%), der zudem über Wurzeln und Steine führte (der Traum von jedem Downhiller). Bereits nach dem ersten Drittel des Weges wurde uns klar, dass wir auf den falschen Rädern unterwegs waren (Traum vom Mountainbike wird ab sofort aktiver geträumt). Nach einem weiteren Kilometer bergauf mussten wir uns eingestehen, dass wir doch nicht so sportlich sind, wie wir immer behaupten und sind beide abgestiegen, gingen aber zielstrebig dem Berggipfel entgegen. „Bergwandern mit Cross Bike in der Hand durch den Wald “ oder kurz „Radwandern“ – unsere neuste Erfindung wurde geboren!

Nach zwei weiteren Kilometern mit dicken Wurzeln und losen Steinen habe ich persönlich beschlossen, dass ich im Bereich geschlechtsspezifische Stereotype alle Register ziehe und mich zu einem „schwachen Weib“ erkläre, nicht verstehe, was ich hier tue/soll, keine Lust und keine Kraft mehr habe und überhaupt alle Berge doof finde. Momentaufnahme!

Dankbarer Weise durchschaute mein Mann die angestrebte Rollenverteilung und übernahm den Part des „starken Manns“. Der Ehemann nahm mein Cross Bike in seine zweite Hand ohne ein Wort zu sagen und ging einfach weiter bergauf. Und war dabei noch so schnell, dass ich ihn in meinem momentanen Schwächeanfall und sogar ohne eigenes Rad kaum einholte.

Warum ich Berge liebe? Weil ich, sobald ich oben bin, alle Schwierigkeiten vergesse, den Ausblick und den Augenblick genieße und meinen Mann liebevoll meinen Held nennen kann, ohne ironisch zu wirken oder ihn wegen der Routenplanung zu kritisieren . Vielleicht sind diese Bergmomente das Geheimnis unserer Ehe.. 

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Es sollte hier noch Erwähnung finden, dass es durchaus einen asphaltierten und gut bewältigbaren Weg auf den Schönberg gibt. Wir sind ihn dann auf dem Rückweg gefahren.

Was lernen wir von diesem Ausflug? Der Schönberg ist schön, wir brauchen langfristig doch Mountainbikes und ich werde zukünftig die geplanten Routen meines Mannes mit einem Augenzwinkern überprüfen. Auf Patentierung unserer Neuerfindung „Radwandern“ wird verzichtet. Uns erreicht das Gerücht, der Begriff sei sowieso schon anderweitig vergeben.

Und das Beste: auch starke Frauen dürfen schwach sein, dann werden ihre starke Männer nur noch heldenhafter. Und wie es bei Euch?